Sonntag, Januar 28, 2007

Rollstuhl-Basketball im Selbstversuch: Ein Training beim Regionalligisten RSKV Tübingen

Die Korbjagd als Rollenspiel

Rollstuhl-Basketball im Selbstversuch: Ein Training beim Regionalligisten RSKV Tübingen

TÜBINGEN. Einen Rollstuhl zu manövrieren, kann ja schon sehr schwierig sein. Aber zugleich noch mit einem Basketball zu dribbeln oder auf den Korb zu werfen, das ist die Herausforderung beim Rollstuhl-Basketball. TAGBLATT-Mitarbeiter Fabian Schmidt hat beim RSKV Tübingen vor dessen Regionalliga-Heimspiel am Sonntag (10 Uhr) gegen Nürnberg mittrainiert. Am Ende fühlte er sich „wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte“.

Schon beim Aufpumpen der Rollstuhlräder bilden sich die ersten Schweißperlen auf der Stirn. Sieben Bar müssen in die Räder, um gelenkig und schnell mit dem Rollstuhl fahren zu können. Im Sportrollstuhl schnalle ich meine Oberschenkel fest, versuche die ersten Meter zu fahren. „Zieh die Gurte fester, damit Du stärker mit dem Rollstuhl verbunden bist und einen größeren Bewegungsspielraum des Oberkörpers hast“, ruft Peter Röder, der Stammtrainerin Sabine Gabelmann vertritt.

„Komm, ich zeig’ Dir jetzt, wie Du dribbelst“, sagt Röder und deutet auf den Ball, der bei den ersten Manövrier-­Versuchen nur in meinem Schoß liegt. Höchstens zweimal dürfen die Räder angeschoben werden, dann muss der Ball den Boden berühren, zum Mitspieler gepasst oder auf den Korb geworfen werden.

Beinahe gegen die Wand

Röder verrät auch, wie er den Ball aufnimmt: Er drückt ihn hinten ans Rad, durch die Kreisbewegung wird der Ball nach oben transportiert. Dann wird es kritisch für mich, als mich so stark auf den Ball konzentriere, dass ich ungebremst auf die Hallenwand zu rolle – und gerade noch rechtzeitig abstoppen kann. „Das ist gar nicht so leicht, sich auf den Ball und den Rollstuhl gleichzeitig zu konzentrieren, oder?“, fragt Michael Deindl, der schon seit über 20 Jahren Rollstuhlbasketball spielt.

Langsam bin ich so weit, dass ich mich den Übungen der heute nur fünfköpfigen Gruppe anschließen kann. Sonst seien etwa zehn Leute im Training, sagt Röder. Zu dritt rollen wir auf den Korb zu, passen uns den Ball zu. Wer kurz vor der Endlinie den Ball hat, wirft auf den Korb. Ich spüre meine Arme, denke an den Muskelkater am nächsten Tag – und meine Partner müssen immer auf mich warten. Immerhin versenke ich dann das erste Mal den Ball im Korb. „So, noch 50 mal treffen und dann spielen wir drei gegen drei“, motiviert Röder.

Auf dieses Trainingsspiel habe ich mich am meisten gefreut. „Du musst dir das ein bisschen so wie Autoscooter vorstellen“, hatte Röder vorher gesagt. Wir preschen übers Feld, ab und zu krache ich in einen anderen Rollstuhl. In der Defensive kann ich ganz gut mithalten, aber im Angriff habe ich Probleme, mich frei zu fahren. Und wenn ich den Ball bekomme, treffe ich nicht. Am Ende verliert mein Team mit 18:20 – doch das ist nebensächlich.

Die Abschlussprüfung

Nach 90 Minuten schnaufe ich nur noch, habe Blasen an den Händen. Bevor ich aufhöre, unterzieht mich Röder noch einer letzten Prüfung: Ohne Vorwarnung wirft er meinen Rollstuhl um, wie eine Schildkröte liege ich zwischen allen Spielern auf dem Boden. Aber dann erklärt mir der Trainer gleich, wie ich mich wieder aufrichten kann: Ich drehe mich auf die Knie, drücke mich mit den Händen nach oben – und schaffe es tatsächlich beim ersten Versuch. Applaus von den RSKV-­Cracks.

Als ich mich aus dem Rollstuhl erhebe, um mich von allen per Handschlag zu verabschieden, wird es mir doch etwas unbehaglich. Schließlich können die anderen ja nicht aufstehen. Doch als ich mich in der Feuerhägle-­Halle so umschaue, habe ich überhaupt nicht den Eindruck, dass das irgend einen stört. Vielmehr haben sich alle gefreut über den Trainingsgast, der mal ausprobiert hat, wie schwierig die Korbjagd im Rollstuhl ist. Fabian Schmidt

Keine Kommentare: