Sonntag, Februar 11, 2007

Massiver Ärger um Kraftknoten

Der so genannte Kraftknoten, ein spezielles Rückhaltesystem für Rollstühle, verspricht mehr Sicherheit beim Transport behinderter Menschen. Sibylle Schuster aus Kehl wollte den Rollstuhl ihrer Tochter Daniela nachrüsten lassen. Doch um die Kostenübernahme wird schon seit fast zwei Jahren zwischen ihr, der Krankenkasse, dem Landratsamt und der Diakonie Kork gestritten.

08.02.2007 - Kehl. Im Jahr 2004 wurde Sibylle Schuster von ihrem Sozialarbeiter Andreas Ehrat von der Diakonie Kork schriftlich mitgeteilt, dass der Rollstuhl ihrer Tochter Daniela auf Grund einer neuen DIN-Vorschrift vier Kraftknoten brauche. »Die Nachrüstung sollte ungefähr 500 Euro kosten, doch die Krankenkasse wollte das nicht bezahlen«, so Schuster. Als Grund nannte die Kasse, dass der Kraftknoten kein Hilfsmittel sei und deswegen die Kosten von der Kasse nicht übernommen würden.
Außerdem sei der Rollstuhl für die Montage von Kraftknoten nicht geeignet. Ein weiterer Punkt sei, dass die Tochter mit einem Bus der Diakonie Kork gefahren werde, also müsse die Diakonie Kork die Kosten tragen. »Der Gipfel ist noch, dass ich meine Tochter bei Wind und Wetter quer durch Kehl fahren soll«, empört sich Schuster.
Zusammen mit anderen Rollstuhlbesitzern reichte sie beim Sozialgericht in Freiburg Sammelklage ein. Seit fast zwei Jahren schwelt nun der Rechtsstreit. Sibylle Schuster zeigt sich kämpferisch, ist zugleich aber auch wütend: »Meine Tochter Daniela ist 39 Jahre alt. In den ganzen Jahren bin ich selten zur Krankenkasse, wenn ich was gebraucht habe. Und jetzt dieses Theater wegen ein paar hundert Euro«.
Unverständnis
Auch bei der Diakonie Kork stößt dieser Fall auf Unverständnis. »Aus rechtlichen Gründen haben wir seitens der Diakonie eine Frist bis zum 8. Januar gesetzt. Bis dahin sollte jeder Rollstuhl, der in einem Bus der Diakonie befördert wird, mit Kraftknoten ausgerüstet sein«, erklärt Gerhard Husemann vom Sozialen Dienst der Diakonie Kork. »Eine gesetzliche Regelung gibt es dafür nicht«, stellt Husemann klar. Es ist nicht eindeutig vorgeschrieben, wer für die Kosten der Umrüstung zuständig ist. »Die Nachrüstung kann nur auf Rezept erfolgen. Wenn die Krankenkasse sagt, sie sei nicht zuständig, wird die Rechnung laut § 14 Sozialgesetzbuch, viertes Buch, an den zuständigen Sozialhilfeträger weitergeleitet. Dieser kann in Vorleistung treten. Im Fall Schuster ist das Landratsamt nicht rechtzeitig von der Krankenkasse wegen Nichtzuständigkeit angeschrieben worden«, so Andreas Ehrat.
Bei Sibylle Schuster zeigte sich die Krankenkasse zwar zuständig, weigerte sich jedoch, die Kosten zu übernehmen. »Dann ist auch eine Weiterleitung ans Landratsamt nicht mehr möglich, da die Krankenkasse innerhalb der gesetzlichen Frist ihre Zuständigkeit erklärt hat«, fügt Ehrat hinzu.
Eilverfahren abgelehnt
Husemann wandte sich auch an den Behindertenbeauftragten der Landesregierung mit der Bitte um Hilfe. »Dort bekamen wir keine Unterstützung, sondern den Hinweis, dass man sich zu einem schwebenden Verfahren nicht äußern wolle«, ärgert sich Husemann. Inzwischen liegen die Unterlagen dem Innenministerium Baden-Württemberg vor.
Die beiden Diakonie-Mitarbeiter berichten aber auch von Fällen, in denen die Abwicklung der Kosten seitens der Krankenkasse überhaupt kein Problem war. Auch bei einigen an der Sammelklage Beteiligten wurde man sich inzwischen außergerichtlich einig. Ein von der Diakonie Kork beim Sozialgericht beantragtes Eilverfahren im Fall Schuster wurde abgelehnt. Das Landratsamt rechnet mit einer Entscheidung Mitte Februar.
Bis dahin wird Daniela Schuster vor jeder Busfahrt umgesetzt – in einen von der Diakonie Kork kostenlos zur Verfügung gestellten Rollstuhl mit Kraftknoten.

Kraftknoten
Der Begriff Kraftknoten wird in der vom Deutschen Institut für Normung (DIN) erarbeiteten DIN 75078-2 definiert. Die DIN 75078-2 gilt für Rückhaltesysteme in Behindertentransportkraftwagen und legt Anforderungen sowohl an Personen- als auch an Rollstuhlrückhaltesysteme für den Transport von Personen in Rollstühlen fest.
Die bereits seit 1. Oktober 1999 geltende DIN definiert den Kraftknoten als »Punkt, in dem idealerweise die Rückhaltekräfte des Personenrückhaltesystems in das Rollstuhlrückhaltesystem eingeleitet werden.«
Es handelt sich hierbei um einen theoretischen Punkt im Bereich der Hinterachse des Rollstuhls, von wo nach unten zum Fahrzeugboden der Rollstuhl verankert und von wo nach oben das Personenrückhaltesystem fixiert beziehungsweise angelenkt wird. Dieser optimale Punkt der Krafteinleitung (Kraftknoten) ist bei jedem Rollstuhl unterschiedlich. Der Kraftknoten soll im Falle eines Unfalls eine mögliche Verformung des Rollstuhls verhindern.

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